oenm . metal consciousness

Von Manuel de Roo

Was verbirgt sich hinter dem Titel „metal consciousness“? Wie entsteht das Bedürfnis, ein besonderes musikalisches Genre mit den Mitteln zeitgenössischen Komponierens und aktueller Aufführungspraxis zu reflektieren?

Als ich mich mit Freude dazu entschloss, für unser Ensemble eines der Programme aus dem Zyklus „fingerprints“ zusammenzustellen, gingen meine Gedanken zunächst der Frage nach, welche Musikgenres und welche Ästhetik mich selbst neben der zeitgenössischen komponierten Musik beschäftigen. Eines dieser Genres ist Hard Rock bzw. Heavy Metal - eines, das ich bis zu meinem 28. Lebensjahr noch von mir ferngehalten hatte. Die Geschichte des (Hard) Rock und des Metal bzw. Heavy Metal ist mittlerweile so lange und komplex, dass man darüber Bibliotheken füllen und Vorlesungsreihen halten könnte. Es handelt sich um einen sehr weitläufigen Bereich, in dem sich über die Jahre und Jahrzehnte viele verschiedene Stile entwickelt haben. Eine vollständige Übersicht schaffen zu wollen wäre ein Unterfangen, welches dem Anspruch nur für kurze Zeit gerecht werden könnte.

Nicht selten sind religiöse Fragen oder Überzeugungen die den Begriff bildenden Hauptmerkmale einzelner Richtungen wie etwa White Metal, Black Metal, Death Metal. Auch soziale Haltungen spielen für Genres wie etwa Garage oder Trash Metal eine besonders wichtige Rolle. Die Stile Progressive und Nu Metal, bei denen die Bands KoRn und Dream Theater als Aushängeschilder der Stilsicherheit und Verbreitung gelten, haben sich ganz explizit einem sehr aktuellen Klangbild verschrieben, welches jeweils auf ganz unterschiedliche Weise überraschende Gemeinsamkeiten mit der zeitgenössischen komponierten Musik aufweist. Im Progressive Rock spielen komplexere Mixturen in den Akkorden und häufig vorkommende Taktwechsel eine bestimmende Rolle, Nu Metal integriert besonders spezielle Spiel- und Gesangstechniken und dadurch oft gleichsam gebrochene Klänge. Bei etwas genauerem Hinsehen auf die Künstlerbiographien stellt sich sogar immer wieder heraus, dass Sänger wie etwa KoRn's Jonathan Davis klassische Ausbildungen erhalten haben und gerade daher über eine enorme Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten verfügen.

Die ungeschminkte Darstellung sozialer Missstände ist es oft, die mein persönliches Interesse an diesem vielfältigen musikalischen Bereich stetig steigert. Es sieht fast so aus, als ob im Medienzeitalter gerade Musik und Literatur die Möglichkeit haben, schwierige Verhältnisse und deren Ursachen tatsächlich beim Namen zu nennen. Und der harte „Sound“ von Heavy Metal hat im Gegensatz zur klassischen, so genannten Hochkultur oder auch zur täglichen Nachrichtensendung nicht das Bedürfnis, für die Zuseher und Hörer eine Wohlfühlatmosphäre zu erzeugen. Vielmehr wird der Finger auf Wunden gelegt, es wird karikiert, vorgespiegelt, polemisiert und angeklagt - dabei erkenne ich fast immer das Anliegen, die Wahrnehmung des Publikums zu schärfen. Eines der eindrucksvollsten Beispiele ist für mich Marilyn Manson, der die widersprüchliche Profitmaximierung der Medien thematisiert, indem er deren Bedürfnis, einmal die Grausamkeit des Massenmörders Charles Manson und dagegen gleichzeitig die angebliche Erotik einer Marilyn Monroe im Sinne möglichst hoher Zuschauerzahlen darzustellen, mit einer beispiellos kompromisslosen Ästhetik in ihre moralische Unschärfe übersteigert. Insgesamt polarisiert Metal in der Allgemeinheit heftig, nicht aber beim eigenen Publikum, das in stetem Wachstum begriffen ist, wie man an Festivals wie Wacken, Bloodstock oder in Österreich etwa Nova Rock deutlich sehen kann.

Mir scheint es eine lohnenswerte Untersuchung für unser Ensemble, inwiefern Komponisten unserer Zeit sich dem Heavy Metal bewusst oder vielleicht auch unbewusst angenähert haben, ob klangliche oder auch strukturelle Schnittpunkte auffindbar sind und wie sich zeitgenössisches Komponieren hierbei entwickelt.